Bundesverdienstkreuz für Vorsitzende der AGABY

Persönliches Statement der Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migrant*innen und Integrationsbeiräte Bayern (AGABY), Mitra Sharifi, zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes.

Foto mit den mit den Ausgezeichneiten

v.r.n.l.: Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber, AGABY-Vorsitzende Mitra Sharifi Neystanak u. weitere Ausgezeichnete

Ich habe das Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland erhalten. Das ist eine große Ehre und Anerkennung für mich und eigentlich für alle meine Kolleg*innen und Mitstreiter*innen bei der AGABY. Und ebenso für die Mitglieder der Integrationsbeiräte, die sich als Migrant*innen für diese Gesellschaft, für ein gleichberechtigtes und demokratisches Zusammenleben in Vielfalt engagieren.
Ich bin dankbar für diese Anerkennung und für das Glück, in einer Demokratie leben und wirken zu dürfen, die die Menschenwürde in ihrer Verfassung festgeschrieben hat.

Aber in den letzten Wochen und Tagen bin ich aufgewühlt und besorgt. Die brutalen Gewalttaten von München und Aschaffenburg, die Menschen aus dem Leben gerissen haben, das Leid der Verletzten und Hinterbliebenen zerreißt mir das Herz. Auch der Wahlkampf, der auf den Rücken von Migrant*innen und auf Kosten des Zusammenhalts in einer von Migration geprägten Gesellschaft geführt wurde, erfüllt mich mit tiefer Sorge.

Die schrecklichen Terrorakte sind ein gefundenes Fressen für die rechtsextremen Kräfte und Parteien. Es ist nicht verwunderlich, wenn sie mit ihrer völkischen Ideologie bei Gewalttaten ausschließlich auf die Herkunft der Täter schauen, um ihre rassistischen Erzählungen weiterzuspinnen. Aber warum denken die Politiker*innen der demokratischen Parteien nicht darüber nach, was sie anrichten, wenn sie in den Chor der Rechtsextremen einstimmen und Migration verteufeln? Wenn sie nach jeder Tat reflexhaft von Abschiebung und Grenzschließungen sprechen?
Sie müssten wissen, dass Grenzschließungen solche Gefahren nicht verhindern. Terror, Gewalt und Menschenverachtung kommen nicht nur von außen und sind auch nicht nationalitätenabhängig. Populistisch und vom Wahlkampf verleitet, werden in der Mitte der Gesellschaft den Rassisten, Terroristen und Feinden der Demokratie Echoräume angeboten und ein migrantenfeindlicher Diskurs verstärkt.

Ich schaue mir mein schönes Verdienstkreuz an und frage mich, wie viele verunsicherte Migrant*innen und andere Demokrat*innen sich fragen müssen, warum die abscheulichen Taten einiger weniger kranker oder verbrecherischer Migranten das Bild der Migration und die Maximen der Migrationspolitik bestimmen?
Warum stehen nicht die Menschenrechte, das Grundgesetz, das Europarecht und Millionen Menschen mit Migra-tions- und Fluchtgeschichte im Mittelpunkt, die dieses Land mittragen. Auf all die Migrant*innen, die ihren Beitrag für Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur leisten, die Sozialsysteme und Rentenkassen mit ihren Beiträgen stabilisieren oder als Ehrenamtliche die Zivilgesellschaft bereichern?

Wir werden auch in der Zukunft zusammenleben müssen und wollen, mit und ohne Migrationsgeschichte. Dies zu akzeptieren und Vielfalt als Chance zu begreifen, wird uns alle stärken, auch große Herausforderungen zu meistern, die eigentlich das Thema von Wahlkämpfen sein sollten. Wie schaffen wir die Transformation der Wirtschaft angesichts von Klimaerwärmung, Energiekrise, Fachkräftemangel, KI und Digitalisierung? Wie bekämpfen wir Fluchtur-sachen, schützen Frieden und Menschenrechte in unserem Land und global? Wie verringern wir die soziale Ungleichheit, Wohnungsnot und Kinder- und Altersarmut? Wie stärken wir das Bildungssystem, damit es allen Kindern, unabhängig von ihrer Herkunft, echte Chancen bietet? Wie bauen wir Ängste und rassistische Vorurteile ab und sichern und verstärken die zivilgesellschaftlichen Strukturen für Demokratie, auch die migrantischen wie AGABY?

Ich habe mich seit über 35 Jahren ehrenamtlich für dieses Land engagiert, das auch meine zweite Heimat geworden ist. Mit dem Bundesverdienstkreuz wird nicht zuletzt mein Engagement und auch das vieler anderer geehrt, die sich in der AGABY, dem Dachverband kommunaler Migrations- und Integrationsbeiräten aktiv für unsere Gesellschaft und ihren Zusammenhalt einsetzen.
Unsere Arbeit ist aufgrund einer nicht ausreichenden Grundfinanzierung gefährdet. Ich wünschte, die symbolische Anerkennung würde sich auch in einer materiellen Stützung der AGABY ausdrücken, um unsere wichtige gesellschaftliche Arbeit auf Dauer sicherzustellen.

Ich möchte meiner Familie, aber auch allen Weggefährten danken, die mich auf diesem Weg unterstützt und begleitet haben. Dieses Verdienstkreuz ehrt und stärkt mich, mich weiterhin mit den vielen engagierten und solidarischen Menschen, mit und ohne Migrationsgeschichte, für die universellen Werte der Menschenrechte einzusetzen und die Demokratie gegen Rechtsruck und Rassismus zu verteidigen. 


Kontakt:
agaby@agaby.de
Mitra Sharifi Neystanak: Tel. 0171-4175862

Pressemitteilung als pdf

Fotos:
Ausgezeichnete mit Urkunde und Minister: Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz
Gruppenbild: AGABY