1) Investition in die soziale Infrastruktur der Migrationsgesellschaft
Wir sind eine Migrationsgesellschaft, aber ohne das entsprechende Bewusstsein für diese Realität.
Migrant*innen leisten einen entscheidenden Beitrag zur Absicherung der Wirtschaft und der Sozialsysteme und bereichern die Gesellschaft in Wissenschaft, Kultur und Sport. Manche Bereiche, wie Pflege und das Gesundheitssystem würden ohne migrantische Arbeitskräfte zusammenbrechen. In den politischen Debatten wird die Migration jedoch als Gefahr dargestellt und mit Wörtern wie „illegal“ und „irregulär“ verteufelt.
Das Recht von geflüchteten Menschen auf Schutz wird in Frage gestellt und auch ihre Beiträge für die Gesellschaft werden ignoriert. Mit einer negativen Bewertung von Migration wird die gewachsene Vielfalt und die Zugehörigkeit der Migrant*innen und Menschen mit Migrationsgeschichte in Frage gestellt. Das gefährdet den Zusammenhalt unserer von Migration geprägten Gesellschaft.
Um eine gemeinsame Zukunft abzusichern, fordern wir:
- Anerkennung und Wertschätzung und ein Ende der spalterischen Debatte um Migration.
2) Stärkung von Demokratie, Partizipation und Kommunen
Um Demokratie zu stärken und Migrant*innen nachhaltig an der Gestaltung der Integrationsprozesse zu beteiligen, sind partizipative Strukturen wie Migrationsbeiräte und die Beteiligung von Migrantenselbstorganisationen notwendig
Während Investitionen in verschiedenen Bereichen geplant sind, stehen Streichungen und Sparprogramme im Bereich Integration auf der Tagesordnung. Dabei sind Investitionen in Integrationsfördernden Maßnahmen und Strukturen wichtige Investitionen in die soziale Infrastruktur und unabdingbar für den Erfolg der Migrationsgesellschaft. Die Wissenschaft weiß es seit Jahrzehnten, dass die Kosten der Nichtintegration für Wirtschaft und Gesellschaft viel höher sind, als die Kosten für Integrationsförderung. Dafür sind nachhaltige Konzepte, Strukturen und Ressourcen auf der Ebene des Bundes, der Länder und der Kommunen nötig.
Wir fordern:
- Die Stärkung partizipativer Strukturen der Integration und die gesetzliche Verankerung kommunaler Migrant*innenvertretungen und der AGABY;
- Ausreichende Ressourcen für Integrationsförderung in den Kommunen. Integration darf nicht länger eine freiwillige kommunale Aufgabe sein und damit bei finanziellem Druck als nachrangig gelten;
- Zugang der Migrantenorganisationen zu Förderprogrammen ohne Aufbringen eines Eigenanteils.
3) Arbeitsmarkt
Zugang zu Qualifikation und zum Arbeitsmarkt sind wichtige Voraussetzungen, um Migration als Ressource und Chance für die gesamte Gesellschaft zu gestalten. Viele Zugewanderte verlieren viel Zeit. Viele Migrant*innen können ihre Fähigkeiten und Potentiale nicht zur Geltung bringen, weil sie keine gute Laufbahnberatung erhalten. Oder weil frühzeitig eine Vermittlung niedrigqualifizierte Tätigkeiten erfolgt, statt Laufbahnberatung, Qualifizierung und Sprachkurse anzubieten. Somit gehen sowohl den betroffenen Migrant*innen als auch der Gesellschaft Chancen und Potentiale verloren.
Wir fordern:
- transparente Verfahren in der Anerkennung von Qualifikationen, professionelle Beratungsangebote zur optimalen und kompetenzgerechten Teilhabe am Arbeitsmarkt;
- Keine Einsparungen im Bereich Integrationskurse und berufsbezogene Sprachkurse. Bereits jetzt gibt es nicht genügend Angebote in diesem Bereich;
- Vereinfachung und Beschleunigung der Anerkennung von ausländischen Abschlüssen.
4) Gegen die Verschärfungen im Asylrecht und die Einschränkungen beim Familiennachzug
Wir wenden uns entschieden gegen die geplanten Verschärfungen im Asylrecht, insbesondere im Hinblick auf die Regelungen zum Familiennachzug.
Wir lehnen den Abbau des im Grundgesetz verankerten individuellen Rechts auf Asyl entschieden ab. Dieses Menschenrecht ist nach den Erfahrungen des zweiten Weltkrieges ins Grundgesetz aufgenommen worden und darf nicht zur Disposition stehen. Maßnahmen, wie Obergrenzen oder Abweisungen an der Grenze, führen dieses Recht praktisch ad absurdum.
Maßnahmen wie Massenunterkünfte, Arbeitsverbote, Arbeitspflichten und Bezahlkarten verletzen die Menschenrechte der Geflüchteten und verhindern Integration. Sie kriminalisieren geflüchtete Menschen und vermindern die Akzeptanz in der Bevölkerung.
Die Idee zur Trennung von Familienmitgliedern, die durch diese Verschärfungen angestrebt wird, widerspricht den grundlegenden Prinzipien der Menschlichkeit, Solidarität und Menschenrechte, die unsere Verfassung vorgibt. Der Familiennachzugs ist nicht nur ein fundamentales Recht für Asylsuchende, sondern auch eine notwendige Maßnahme zur Integration und Stabilisierung von geflüchteten Menschen.
Die Trennung von Familien führt zu enormen psychischen Belastungen und erschwert die gesellschaftliche und wirtschaftliche Integration der Betroffenen. Stattdessen sollte der Familiennachzug als ein Integrationsinstrument verstanden werden, das geflüchteten Menschen hilft, sich dauerhaft in unsere Gesellschaft einbringen und sich zugehörig fühlen zu können.
Wir fordern:
- Keine Einschränkungen des individuellen Rechts auf Asyl durch Einstufung von Ländern als sichere Herkunftsländer;
- Keine Abweisung von Asylsuchenden Menschen an den Grenzen;
- Dezentrale und menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten und Schließung von Massenunterkünften;
- Absicherung von Beratungsstrukturen;
- Unterstützung der zivilgesellschaftlichen Flüchtlingshilfe;
- Besonderer Schutz für vulnerable Gruppen wie Kinder, Frauen und queere Geflüchtete;
- Keine diskriminierenden Maßnahmen wie die Bezahlkarte;
- Keine Abschaffung des Familiennachzugs.
5) Bildung
Das Bildungssystem muss inklusiver gestaltet werden. Heterogenität und Vielfalt sind Merkmale unserer Schülerschaft. Wir brauchen Schulen, die die Talente aller Kinder unabhängig von ihrer Herkunft fördern und ihnen faire Bildungschancen anbieten.
Wir fordern:
- Keine Isolation der Kinder mit Sprachförderbedarf;
- Vorschulische und schulbegleitende Sprachförderung;
- Mehr individuelle Unterrichtsformen;
- Anpassung der Lehrerausbildung an die Vielfältigkeit und Heterogenität der Schülerschaft;
- Rassismuskritische Bildung und Unterstützung für die Schulen und Lehrkräfte im Kampf gegen Rassismus;
- Stärkung der Lehrkräfte mit Fortbildungen und mehr Lehrkräfte mit Migrationsgeschichte;
- Förderung der Mehrsprachigkeit in der Schule;
- Förderung des Empowerments der Eltern mit Migrationsgeschichte durch mehrsprachige Informationen, Beratung und Vernetzung.
6) Anti-Rassismus und Anti-Diskriminierung
Die politischen Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, dass Rassismus eine der größten Gefahren für unsere Demokratie ist. Eine nachhaltige Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung ist nicht nur das Gebot der Verfassung, die die Gleichbehandlung fordert, sondern auch eine wichtige Voraussetzung für ein respektvolles und demokratisches Miteinander.
Wir fordern ein Landesantidiskriminierungs- und ein Demokratiefördergesetz, die folgendes sicherstellen:
- Unterstützung der von Rassismus und Diskriminierung betroffenen Menschen durch flächendeckende Antidiskriminierungsstrukturen in Bayern;
- eine staatlich unabhängige Landesantidiskriminierungsstelle mit Monitoring und Präventionsarbeit gegen Rassismus und Diskriminierung;
- Ahndung von Rassismus und Diskriminierung als Straftatbeständen im privaten und staatlichen Bereich;
- Verlässliche Förderung von zivilgesellschaftlichem Engagement gegen Demokratiefeindlichkeit;
- Stärkung der politischen Bildung und der Demokratiebildung.