Resolution zum Aufbau von Antidiskriminierungsstrukturen auf Landes- und Kommunalebene

Jede dritte Person (35,6%) hat in den vergangenen zwei Jahren Diskriminierung erlebt, sagt eine repräsentative Befragung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2016 (Quelle: "Diskriminierungserfahrungen in Deutschland“, Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2016) https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/projekte/Handout_Umfrage_Diskriminierung_in_Dtschl_2015.html?nn=6575434).

Menschen, deren Äußeres auf eine Zuwanderungsgeschichte hinweist, werden weitaus häufiger diskriminiert als Zugewanderte, deren Erscheinungsbild sich nicht durch Merkmale wie Hautfarbe oder Kopftuch von der Mehrheitsbevölkerung abhebt. Sie berichten zu 48% von erlebter Diskriminierung, und sogar zu 59%, wenn sie außerdem Deutsch mit einem Akzent sprechen. Menschen, die zwar einen Migrationshintergrund haben, sich aber nicht sichtbar oder hörbar von der Mehrheitsbevölkerung unterscheiden, berichten immerhin zu 17% von Diskriminierung (Quelle: Faktensammlung Diskriminierung –Kontext Einwanderungsgesellschaft (Bertelsmann Stiftung 2018) www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/migration-fair-gestalten/projektnachrichten/faktensammlung-diskriminierung-2018/)

Rassismus und Diskriminierung spalten die Gesellschaft und schwächen die Demokratie. Um Demokratie zu schützen, ist der Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung deshalb eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, auch um dem wachsenden Erfolg von rechtsextremen und rechtspopulistischen Kräften Einhalt zu gebieten.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist seit dem18. August 2006 in Deutschland in Kraft. Im AGG selbst ist ausgeführt, dass es „Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der „Rasse“ oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“ Dabei bezieht sich das Gesetz ausschließlich auf Ungleichbehandlung durch private Akteure (z. B. Arbeitgeber, Vermieter, Anbieter von Waren und Dienstleistungen) und verwendet leider den Begriff „Rasse“, den wir ablehnen.Dieses Gesetz bleibt einzahnloser Tiger, wenn Betroffene wohnortnah keine Beratungs-und Unterstützungsmöglichkeit haben.Wir erleben einen wachsenden Rassismus, die Zunahme von Diskriminierung, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus in unserer pluralen und vielfältigen Gesellschaft. Dies ist eine Alltagserfahrung jeder dritten Person hierzulande. Deshalb müssen Betroffene auch alltagsnah und niederschwelligerste Unterstützungsangebote finden.

Das Gebot der Gleichbehandlung und die Achtung der Würde jedes einzelnen Menschen ist ein zentrales demokratisches Prinzip. Bisher müssen die Betroffenen selbst dafür sorgen, dass das Gebot der Gleichbehandlung auch umgesetzt wird. Sie leisten Widerstand,fordern konkrete Veränderungen und tragen den Auseinandersetzungsprozess wesentlich mit.

Diskriminiert zu werden kann viele negative Folgen haben und bis hin zu Persönlichkeitsstörungen führen. Es können Gefühle von Ohnmacht, Wut, Sprachlosigkeit, Angst und Zweifel auftreten sowie Rückzugsreaktionen. Diskriminierung beeinträchtigt massiv das Verhältnis des Einzelnen zur Gesellschaft und Demokratieund seine/ihreeigene Identität. Es treten Fragen auf, wie zum Beispiel:Ist das überhaupt eine Diskriminierung oder bin ich empfindlich? Welche Rechte besitze ich? Was kann ich tun? Welche Möglichkeiten der Gegenwehr habe ich und was muss ich dabei beachten? Mit welchen Ergebnissen (negativ oder positiv) ist zu rechnen? Welche Erfahrungen gibt es? Wo finde ich gute Anwält*innen? Was kostet eine Klage? Wie lange dauert sie? Welche Konsequenzen hat sie für mich? Wird mir jemand zuhören und mir glauben? Genau in solchen Situation benötigen Betroffene professionelle Beratung und Unterstützung, um ihr Recht auf Gleichbehandlung und Respekt einfordern zu können.

Wir fordern von der Bayerische Staatsregierung:
  • die Einrichtung einer unabhängigen Landes-Antidiskriminierungsstelle (zielgruppenübergreifend);
  • den Beitritt zur „Koalition gegen Diskriminierung“, die auf Bundesebene2 011 initiiert wurde und der elf andere Bundesländer bereits angehören und damit dafür Sorge zu tragen, dass auch in Bayern für Diskriminierungsschutz sensibilisiert und das Thema als Querschnittsaufgabe politisch verankert wird;
  • die Beauftragung einer unabhängigen wissenschaftlichen Stelle mit der Erstellung eines Diskriminierungsberichtes für Bayern, um eine faktenbasierte Grundlage für die Notwendigkeit der Antidiskriminierungsarbeit in Bayern zu schaffen.
Wir fordern von den Kommunen und Gemeinden:
  • die Einrichtung von unabhängigen Antidiskriminierungsstellen vor Ort (zielgruppenübergreifend);
  • die Etablierung einer Antidiskriminierungskultur in den Verwaltungen und kommunalen Unternehmenund Organisationen;
  • den Beitritt zur Europäischen Städtekoalition gegen Rassismus (ECCAR), was in Städten wie München und Nürnberg und Erlangen bereits erfolgt ist;
  • die Schaffung von hauptamtlichen Strukturen in der Antidiskriminierungsberatung, da diese komplexe und langfristige Aufgabe von Ehrenamtlichen und Honorarkräften nicht gewährleistet werden kann;
  • die Verankerung der Antidiskriminierung als Querschnittsthema in der Praxis der Regelstrukturen und aller Beratungsangebote für Zugewanderte in den Bereichen Familien, Frauen, Jugend und Senioren.
Wir fordern von den kommunalen Spitzenverbänden:
  • die Einrichtung von kommunalen Antidiskriminierungsstellen voranzutreiben und ihre Verantwortung in diesem Bereich wahrzunehmen.

 

Bamberg am 31. März 2019