Bayern schafft das! Unterstuetzung fuer Staedte und Landkreise bei der Unterbringung von Gefluechteten

Resolution der Vollversammlung der Delegierten der AGABY am 7. Mai 2023 in Regensburg

viele Personen stehen auf einer Treppe

AGABY-Vollversammlung am 07.05.2023 / Copyright: Josefa Schundau

Die Haltung unserer Gesellschaft gegenüber ukrainischen Geflüchteten zeigt, dass Ängste vor "Flüchtlingswellen" oder "Strömen" durchaus überwindbar sind. Auch durch die Politik und die Verwaltungen wurden Hürden abgeschafft, die lange als unantastbar galten. Die positiven Erfahrungen bei der Aufnahme von Ukrainer*innen sollten genutzt werden, um die Lebensbedingungen aller Schutzsuchenden zu verbessern.

In den vergangenen Jahren ist die Zahl von Menschen, die ihre Heimat aufgrund von Krisen, Kriegen, Konflikten, Armut oder Gewalt verlassen mussten, weltweit gestiegen. Viele von ihnen haben traumatisierende Erfahrungen gemacht und benötigen daher besonderen Schutz und Unterstützung.
In den letzten Jahren ist auch hier in Bayern von der Landesregierung, den Städten und Landkreisen, aber auch der Zivilgesellschaft viel geleistet worden. Angesichts der weltweiten Krisen ist es jedoch dringend notwendig, dieses Engagement fortzuführen, weiterzuentwickeln und zu verbessern.
Wir beobachten mit Sorge, dass der Schutz von Geflüchteten in Frage gestellt wird. Dringend muss vermieden werden, dass die Kommunen damit überfordert sind, eine vorausschauende Planung zu leisten und zusätzliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Bereits jetzt ist zu beobachten, dass Wahlkampf auf dem Rücken von Geflüchteten gemacht wird. Ressentiments gegen Geflüchtete zu verbreiten, nützt nur rechtsextremen und demokratiefeindlichen Parteien!

Gerade aufgrund der problematischen Situation auf dem Wohnungsmarkt stellt die Unterbringung der Geflüchteten eine besondere Herausforderung dar. Auch wenn dezentrale und möglichst individuelle Unterbringung das Ziel sein muss, sind Gemeinschaftsunterkünfte für viele geflüchtete Menschen weiterhin der zentrale Lebensmittelpunkt. Es gilt für sie menschenwürdige(re) Bedingungen zu schaffen und ihnen Schutz anzubieten – unabhängig vom Stand und Prozess der Klärung ihres Aufenthaltsstatus.

Die Erfahrungen, die Ankommende bei uns machen, legen oftmals den Grundstein dafür, inwieweit ihre spätere gesellschaftliche Teilhabe und Integration glückt oder eingeschränkt wird.
Das vorrangige Ziel der Verantwortlichen sollte es daher sein, einen schnellen und bestmöglichen Normalisierungsprozess bei der Unterbringung von geflüchteten Menschen sicherzustellen. In den
(Not-)Unterkünften müssen unbedingt Mindeststandards eingehalten werden. Es ist von entscheidender Bedeutung, ein Umfeld zu schaffen, in dem Ankommende sich sicher und geborgen fühlen, in der Schutzsuchende würdevoll leben und sich für die kommende Eingliederung in die Gesellschaft vorbereiten können. Ohne Sicherheitsgefühl und ohne respektvolle Begegnung seitens der Mehrheitsgesellschaft kann keine Integration stattfinden.

Die Mindeststandards müssen sowohl für die Verwaltungsebene, als auch für interne und externe Dienstleister, sowie für alle Personen gelten, die Aufgaben bei der Ausgestaltung und beim Betrieb von Unterkünften für Geflüchtete übernehmen.

In Bayern kommen immer wieder schubweise flüchtende Menschen aus Kriegs- und Krisenregionen an. Die bayerischen Landkreise sowie kreisfreien Städte sind durch die Asyldurchführungsverordnung verpflichtet, Geflüchtete in ihrer Zuständigkeit zu übernehmen, unterzubringen und zu versorgen.
Das stellt viele Kommunen vor große Herausforderungen. Werden hierfür nicht gute Bedingungen geschaffen, laufen wir Gefahr, dass rechte und demokratiefeindliche Kräfte die Situation ausnützen, um ihre rassistische Positionen zu verbreiten und gegen die Geflüchteten zu hetzen. 

Folgende Bereiche bedürfen daher der Verbesserung:

1) Abschaffung aller Massenunterkünfte und möglichst dezentrale und individuelle Unterbringung

Massenunterkünfte wie die so genannten Ankerzentren sind menschenunwürdig führen zu Problemen und Konflikten und sind teuer. Sie sind abzuschaffen. Auch für die kurzfristige Erstaufnahme sollen Unterbringungsgrößen über 300 Personen vermieden werden, da sie mit erheblicher Belastung für die betroffenen Geflüchteten und die Anwohner*innen verbunden sind.

2) Integrationsstrukturen und Unterstützungsstrukturen für Geflüchtete stärken, fördern und verstetigen 

Durch Pandemie, Energiekrise, Inflation und sinkende Gewerbesteuereinnahmen sind viele Kommunen finanziell unter Druck geraten. Die Aufnahme von Geflüchteten bedeutet für die Kommunen zusätzliche finanzielle und organisatorische Belastungen (Schaffung von neuen Plätzen in Kindergärten und Schulen und zusätzliche Personalressourcen). So müssen die Städte und Landkreise oft mit den Finanzmitteln zulasten von Geflüchteten jonglieren. Deshalb dürfen die Kommunen bei der Unterbringung und Integration von Geflüchteten nicht allein gelassen werden. Das Land muss dringend zusätzliche finanzielle Mittel für die Kommunen zur Verfügung stellen.

Weiterhin fordern wir, dass verschiedenste ehrenamtliche Helferkreise, die für die Unterbringung und humanen Umgang mit Geflüchteten sehr effektiv und effizient arbeiten, gestärkt werden. Diese Helferkreise engagieren sich maßgeblich für Integration und sorgen für soziale Kontakte mit und für Geflüchtete. Diese ehrenamtlichen Strukturen zu verstetigen braucht kontinuierliche und verlässliche hauptamtliche Stellen. Vielfach ist die Arbeit der Integrationslots*innen durch unsichere Beschäftigungsverhältnisse gefährdet. Es ist notwendig, die Bedingungen für die Integrationsarbeit attraktiv und nachhaltig zu gestalten.

3) Unterbringung, Notbehelf

Aufgrund von mangelndem "menschenwürdigem" Wohnraum in vielen Kommunen werden Turnhallen oder ähnliche Einrichtungen für die Unterbringung von Geflüchteten genutzt. Dies führt zu erheblichen Schwierigkeiten für Schulen und Sportvereine, die bereits unter den Folgen der Coronapandemie litten.  Außerdem beeinflusst eine solche Nutzung die Stimmung gegenüber den Geflüchteten negativ. Kommunen sollen finanziell und organisatorisch in die Lage versetzt werden, dauerhafte und angemessene Alternativen zur Unterbringung von Geflüchteten zu finden. Die Grundbedürfnisse
nach Sicherheit, Privatsphäre, Hygiene und sozialem Kontakt müssen erfüllt sein. Notunterkünfte dürfen nur als letzte Option und nur kurzzeitig eingesetzt werden.

4) Integration

Geflüchtete Menschen sind oft traumatisiert und haben schwierige Fluchterfahrungen hinter sich. Es ist unsere humanitäre Pflicht, ihnen die bestmögliche Unterstützung zu bieten, um ihnen eine erfolgreiche Integration zu ermöglichen. Dazu gehört nicht nur die Bereitstellung von Unterkünften, sondern auch die Schaffung von adäquaten Integrationsangeboten. Deshalb fordern wir:

  • Die Bereitstellung von ausreichenden Schul- und Kitaplätzen für geflüchtete Kinder und Jugendliche, um ihnen den Zugang zu Bildung zu ermöglichen;
  • Die Schaffung von Sprach- und Integrationskursen, um Geflüchteten die deutsche Sprache und kulturelle Gepflogenheiten zu vermitteln;
  • Die Unterstützung der Kommunen bei der Bewältigung der Herausforderungen durch die hohe Zahl an Geflüchteten, unter anderem durch finanzielle Mittel, personelle Verstärkung und effiziente Strukturen;
  • Die Integration und Vermittlung in Ausbildung und Arbeit;
  • Die Bereitstellung von psychologischer und für Minderjährige pädagogischer Betreuung;
  • Projekte zur Förderung und Unterstützung der Geflüchteten;
  • Beratungs- und Freizeitangebote.

5) Kommunikation und Vorbereitung der Kommunen

Bei der Aufnahme von Geflüchteten brauchen wir die Solidarität der Gesellschaft. Gute Kommunikation und Miteinbeziehung der Bevölkerung spielt bei der erfolgreichen Gestaltung der Prozesse eine wichtige Rolle. Die Aufnahme der ukrainischen Geflüchteten zeigt, wie viele Ressourcen in der Zivilgesellschaft aktiviert werden können. Im Moment entsteht mancherorts Unmut, weil Anwohner*innen plötzlich von der Ankunft von Geflüchteten erfahren. Dies kann zu einer negativen Wahrnehmung von Geflüchteten und unbegründeten Ängsten führen.

Durch Informationsveranstaltungen, interkulturelle Austauschprogramme, Workshops und weitere Aktivitäten, muss die Bevölkerung in den Prozess einbezogen werden.  So kann Vorurteilen und Ängsten begegnet werden. Kontakte und Wissen über persönliche Schicksale von Geflüchteten können Empathie schaffen und das Verständnis für ihre Situation, Bedürfnisse und Hintergründe fördern. 

Darüber hinaus muss es klare Voraussetzungen und Richtlinien geben, um Missverständnisse und Konflikte zu vermeiden. 

Die Sensibilisierung der Mehrheitsgesellschaft für Vielfalt und kulturelle Unterschiede kann das Verständnis für Geflüchtete und die Akzeptanz ihrer kulturellen Hintergründe fördern. Es ist wichtig, dass die Verwaltung personelle Ressourcen zur Verfügung hat, die Prozesse zur Informierung und Miteinbeziehung der Zivilgesellschaft zu organisieren und zu betreuen.

6) Geflüchteten-Unterkünfte schützen 

Parallel zu den steigenden Zahlen Geflüchteter hat im vergangenen Jahr auch die Zahl von Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte erstmals seit 2015 wieder zugenommen. Letztes Jahr (2022) gab es über 121 Überfälle, Anschläge, Sachbeschädigungen und tätliche Angriffe auf solche Unterkünfte. Das ist ein Anstieg von 73 Prozent im Vergleich zum Jahr (2021) zuvor.

Deshalb ist der Schutz der Unterkünfte besonders wichtig und muss vom Staat sichergestellt werden. Beschränkte finanzielle Mittel stehen dieser Pflichtausführung oftmals im Weg. Hierbei gilt es, auch in den Unterkünften selbst für Sicherheit zu sorgen und dabei die Persönlichkeits- und Freiheitsrechte der Schutzsuchenden zu achten.
Hier ist sicherzustellen: 

  • Sicherheitskonzept und Qualitätsstandard bei dem einzusetzenden Sicherheitspersonal innerhalb der Einrichtungen;
  • Ausreichender polizeilicher Schutz der Einrichtung von außen.                                                                       

7) Wir fordern, dass alle geflüchteten Menschen gleich behandelt werden.

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