Augsburger Prozess zu Diskriminierung bei der Wohnungssuche

AGABY und NRDB rufen zum solidarischen Prozessbesuch auf! Das Amtsgericht Augsburg bestätigt eine unzulässige diskriminierende Praxis des Vermieters und verurteilt ihn zur Unterlassung, sowie zur Zahlung einer Entschädigung. AGABY begrüßt das Urteil, das klar stellt, dass Diskriminierung auch im privatrechtlichen Bereich, wie bei der Wohnungssuche, gesetzlich verboten und strafbar ist.

Urteil des Gerichtsprozesses in Augsburg zu Diskriminierung bei der Wohnungssuche:

Am Dienstag, 10. Dezember 2019, dem internationalen Tag der Menschenrechte, hat das Amtsgericht Augsburg um 8.50 Uhr nach zwei Verhandlungstagen sein Urteil bekannt gegeben. Das Gericht bestätigt eine unzulässige diskriminierende Praxis des Vermieters und verurteilt ihn zur strafbewährten Unterlassung, sowie zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung im Höhe von 1000,00 Euro (AG Augsburg, Urt. v. 10.12.2019, Az. 20 C 2566/19).

Der Vermieter wurde dazu verurteilt, an den Mietinteressenten EUR 1000,00 zu zahlen, sowie zukünftig zu unterlassen, mit dem Wortlaut nur „an Deutsche“ für seine Wohnungen zu werben. Für den Fall, dass er es dennoch tun sollte, kann der Vermieter im Einzelfall zu einem Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,00 oder ersatzweise bis zu 6 Monate Ordnungshaft verurteilt werden.

Wir begrüßen die Entscheidung des Amtsgerichts Augsburg, welche dem Kläger in vollem Umfang Recht gibt, Rassismus und Diskriminierung bei der Wohnungssuche nicht hinzunehmen.„Diese offene Benachteiligung von Ausländern ist schlichtweg nicht hinnehmbar", sagte Richter Andreas Roth in seiner kurzen Urteilsbegründung und ergänzte: “An Deutsche vermieten zu wollen impliziert klar die Aussage, nicht an Ausländer zu vermieten. Dies stellt eine unmittelbare Benachteiligung des Mietinteressenten wegen seiner ethnischen Herkunft und Rasse dar, sodass im vorliegenden Fall eine subjektive Verletzung des Mietinteressenten gegeben ist.”

Bereits am 15. Oktober 2019 fand vor dem Amtsgericht Augsburg die mündliche Verhandlung statt, in der der Vermieter bereits klar mitteilte, dass er seine Wohnung nicht an „Nichtdeutsche“ vermieten will und wird. Auch für Deutsche, die mit „Ausländern“ oder Geflüchteten zusammenarbeiten, oder unterstützen gelte dies.

Hierzu stellte der Richter in seiner Urteilsverkündung fest, dass die Staatsangehörigkeit nicht als alleiniges Merkmal für die Entscheidung des Vermieters diente, allen Mietinteressenten einen fairen Zugang zur Wohnung zu schaffen. Weiterhin behauptete der Vermieter in der öffentlichen Verhandlung, dass er aufgrund einer schlechten Erfahrung mit einem einzelnen „kriminellen Ausländer“ entschieden habe, seine Wohnung nicht an „Ausländer“ zu vergeben. Unter Bezugnahme auf die Polizeiliche Kriminalstatistik kämen für ihn daher nur Deutsche oder Deutsche mit Migrationshintergrund als Mieter in Frage.

Dem stehen Sinn und Zweck des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes strikt entgegen. "Verbrechen und Vergehen werden von Menschen begangen, nicht von Staatsangehörigkeiten", sagte der Richter dazu. Das vom Vermieter vorgetragene Sicherheitsbedürfnis sei in dieser Form nicht nachvollziehbar. Auch verlange § 19 Abs. 3 AGG entgegen der Auffassung des Vermieters nicht die Durchsetzung von Homogenetät, sondern soll mehr Heterogenität ermöglichen.

Auf Grund des bewussten, offenen Ausschlusses von Ausländern hat das Gericht im Ergebnis eine finanzielle Entschädigung in Höhe von EUR 1000,00 für angemessen erachtet, sodass der Klage in vollem Umfang stattgegeben wurde. Der Kläger gibt an, für den Fall der Rechtskraft des Urteils die Entschädigung in voller Höhe dem Engagement für Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit zu spenden

Informationen zum Hintergrund:

Der Kläger, ein Mietinteressent mit westafrikanischer Migrationsbiografie, war auf der Suche nach einer Mietwohnung im Raum Augsburg und fand unter anderem die Wohnungsanzeige auf der Webseite „immo.augsburger-allgemeine.de“ mit der Online-ID 4798751 vom 29. April 2019. Was der Kläger zunächst nicht bemerkte, war der Vermerk ganz unten in der Anzeige, dass der Vermieter seine Wohnung ausdrücklich „an Deutsche“ vermieten will.

Der Kläger wurde telefonisch vom Vermieter mit folgender Frage konfrontiert: „Sind Sie ein Ausländer?“ Der Vermieter beendete einseitig sofort das Telefonat, als klar wurde, dass ein Nicht-Deutscher oder ein Mensch mit nichtdeutschem Namen anrief. Diese Vorgehensweise zeigt eine unmittelbare Benachteiligung eines Mietinteressenten wegen seiner ethnischen Herkunft auf, da der Vermieter ohne eine sachliche Rechtfertigung für diese offenkundige Ungleichbehandlung bei der Auswahl seiner zukünftigen Mieter*innen vorgehen möchte.

Dies veranlasste den Kläger auf Grundlage des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes dagegen juristisch vorzugehen.